Wirtschaftsprüfung.
Bilanzpolitik: Erfolgreich bilanzieren.
Bilanzierung folgt keinen physikalischen Gesetzen.
Grundlage der Bilanzierung in Deutschland stellt im wesentlichen und nach wie vor das Deutsche Handelsgesetzbuch (das HGB) dar. Für Zwecke der Konzernbilanzierung kann ersatzweise auf den Internationalen Rechnungslegungsstandard IFRS ausgewichen werden. In jedem Fall gilt es für das bilanzierende Unternehmen sich zunächst den folgenden Fragen zu stellen:
1. Was sagt das Gesetz?
2. Welche Alternativen läßt das Gesetz? Wahlrechte.
3. Wo weiß das Gesetz selbst nicht mehr weiter? Ermessensspielräume.
4. Wie macht das Gesetz, was ich will? Sachverhaltsgestaltung.
Was sagt das Gesetz?
Viele Geschäftsvorfälle während des Geschäftsjahres hinterlassen im Jahresabschluss klar definierte Spuren: die Zahlung einer Rechnung wird beispielsweise das auszuweisende Guthaben bei Kreditinstituten zum Jahresende vermindern. Oder: der Einkauf von Vorräten wird - zunächst - den Bestand der Vorräte erhöhen, ebenso die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen. Das Schreiben von Rechnungen, die Anschaffung von Anlagegegenständen, die Aufnahme von Darlehen, die Einstellung von Mitarbeitern. Das Rechnungswesen hat solche - oder ähnliche Sachverhalte - schon oft erfasst und im Jahresabschluss ausgewiesen.
Dem ist auch zunächst vorbehaltlos zuzustimmen. Treten Massengeschäftsvorfälle auf, so sind klar und einfach definierte Regeln unerlässlich. Auch in mittelständischen oder sogar kleineren Unternehmen führt eine fallweise Beurteilung von Geschäftsvorfällen zwangsläufig zum Kollaps der Verwaltung. Und mal ehrlich: was bringt es denn langfristig, den Geschäftserfolg in einzelnen Jahren zu gestalten? Am Ende - oder auch schon früher - bleibt sich doch alles gleich. Und was wirklich zählt, das landet schließlich in der Kasse.
So verkürzt ist es in der Wirklichkeit natürlich nicht. Eine Darstellung des periodengerechten Ergebnisses, das der wirtschaftlichen Entwicklung und der wirtschaftlichen Realität des Unternehmens entspricht, ist sehr oft existenzrelevant. Auch wenn sich in späteren Jahren alles ausgleicht... Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter, Banken, Gesellschafter entscheiden jetzt!
Eine periodengerechte und nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilte Bilanzierung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Bestand und zur Entwicklung eines jeden Unternehmens.
Im Dschungel der Bilanzpolitik gibt es drei wesentliche Pfade. Alle lassen sich gleichzeitig betreten: der Pfad des Wahlrechtes, der Pfad des Ermessens und der Pfad der Sachverhaltsgestaltung. Alle Wege führen zum Ziel. Es sei denn, der Weg ist das Ziel.
Welche Alternativen läßt das Gesetz? Wahlrechte.
Das Deutsche Handelsrecht sieht für die Bilanzierung (auch nach Inkrafttreten des BilMoG) zahlreiche Wahlrechte vor. Einige dieser Wahlrechte werden durch sogenannte Ausschüttungssperren begleitet. Ausschüttungssperren sieht der Gesetzgeber meist dann vor, wenn nicht realiserte Gewinne das handelsrechtliche Ergebnis erhöhen, um die Verteilung dieser Gewinne an die Gesellschafter zu verhindern.
Was sind überhaupt Bilanzierungswahltrechte? Das Bild eines Vermögensgegenstandes richtet sich nach drei Gesichtspunkten: Ansatz, Ausweis und Bewertung.
Ansatzwahlrechte überlassen es dem Bilanzierenden, ob ein Vermögensgegenstand überhaupt aktiviert wird oder nicht. Grundsätzlich muss der Kaufmann natürlich sämtliche Vermögensgegenstände in seiner Bilanz abbilden. Aber sind Latente Steuern überhaupt Vermögensgegenstände? Oder selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände?
Da sich darüber niemand sicher ist, wird nunmehr beides für zulässig erklärt. Und wenn zwei sich widersprechende Alternativen zulässig sind, gibt es nun einmal ein Wahlrecht.
Ausweiswahlrechte sind zunächst einmal recht unspektakulär, da sie nicht unmittelbar über die Höhe einzelner Jahresergebnisse entscheiden. Wo ein Vermögensgegenstand schließlich ausgewiesen wird, ist im Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung nicht entscheidend. Die Auswirkung auf das Jahresergebnis ergibt sich regelmäßig erst durch die Bewertung, die dem Ausweis von Vermögensgegenständen nachfolgt: Anlagevermögen wird anders bewertet als Umlaufvermögen.
Somit ist das Bewertungswahlrecht berufen, die Buchwerte der Zukunft zu gestalten. Bewertungswahlrechte bestehen beispielsweise bei der Wahl der Abschreibungsmethode, der Entscheidung für Verbrauchsfolgeverfahren sowie für weitere Bilanzpositionen.
Wo weiß das Gesetz selbst nicht mehr weiter? Ermessensspielräume.
Viele Bewertungsfragen klären sich erst in der Zukunft: Wie lange werden die Maschinen halten? Was ist der Barwert einer Forderung? Ist die Forderung überhaupt einbringlich? Welches sind überhaupt die sachgerechten Zuschlagsätze bei der Bilanzierung von Fertigerzeugnissen. Und überhaupt! Rückstellung. Mit welchem Betrag wird das Unternehmen künftig zur Kasse gebeten werden?
Bilanzpositionen, die mit Hilfe des kaufmännischen Ermessens zu bewerten sind, beinhalten naturgemäß Unschärfen und müssen auf die Erfahrung der Bilanzierenden zurückgreifen.Ermessen eröffnet Spielräume. Ob die Ausübung des Ermessens schließlich zutreffend war, stellt sich immer erst in der kürzeren oder späteren Zukunft heraus. Manchmal ist der Erfolg der willkürlichen Einschätzung auch gestaltbar, wenn sich Prophezeihungen selbst erfüllen.
Wie macht das Gesetz, was ich will? Sachverhaltsgestaltung.
Anders als im in der Situation der Wahlrechtsausübung oder der Ermessensausübung greift die Sachverhaltsgestaltung nicht am realisierten Geschäftsvorfall an, sondern führt erst zur Realisation eines bestimmten Geschäftsvorfalles. Klassische Beispiel sind das Sale-and-Lease-back-Verfahren, das Facotring, der An- und Verkauf von Vermögenswerten zwischen verbundenen Unternehmen und ganz besonders auch die gesellschaftsrechtliche Strukturierung und in der Folge die Aufdeckung von Stillen Reserven.
Sachverhaltsgestaltung bedraft sachgerechter Vorbereitung, um nicht nur den angestrebten Zweck zu erreichen, sondern ganz besonders auch um unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden. Denn auch dem sachverhaltsgestalteten Geschäftsvorfall folgt die Bewertung und das Ermessen hinsichtlich seiner Wirkungen in der Zukunft.
Und es folgt auch der Abschlussprüfer. Und der Steuerprüfer.
Fazit: Nichts ist, wie es scheint. Es gibt immer Facetten, die den ersten Anschein nicht unbedingt umkehren, aber doch gewaltig beeinflussen können. Sachverhaltsgestaltung greift rechtzeitig an, Wahlrechte sind allgemein akzeptiert und das Ermessen liegt weitgehend in der Hand des Bilanzierenden.
Bilanzpolitik ist komplex. Für unmittelbar Betroffene manchmal vielleicht zu komplex. Bilanzexperten helfen mit Ideen, mit Konzepten, mit Argumenten, mit Zeit, mit Geduld und mit allem, um den Erfolg zu erzielen.